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07.08.2019, Update: 16.11.2020
Text: Achim
Fotos: Achim
Das grundsätzlich tolle Vorgängermotorrad R1200RT LC (EURO 4) hatte mich wegen seiner Drehmomentschwäche zwischen Leerlaufdrehzahl und so ca. 2.000 U/min, in Kombination mit einer ungünstig zu dosierenden Kupplung nicht völlig überzeugt.
Das führte zur Testfahrt mit der neuen R1250RT, die ich nach ausführlicher Erprobung dann auch gleich gekauft habe. Inzwischen kann ich seit 02/2019 auf gut 22.000 Kilometer Fahrerfahrung zurückblicken.
Motor, Getriebe, Kupplung:
Während es in allen anderen Bereichen keine gravierenden Neuerungen gibt, haben diese Bauteile absolut keine Gemeinsamkeiten mehr mit dem Vorgängermodell.
Die geänderte Form der Ventildeckel und der kleine vor dem Motor montierte Spoiler sind im Erscheinungsbild die am ehesten erkennbaren Unterschiede.
In den neuen Motor hat BMW hat nicht nur gut 80 ccm mehr Hubraum investiert, sondern auch "ShiftCam"-Nockenwellen installiert. Die Nockenwellen über den Einlassventilen werden je nach
Last und Drehzahl über eine Schaltkulisse seitlich verschoben, sodass andere Nockenprofile zum Tragen kommen. Die Volllastnocken mit maximalem Hub sorgen für hohe Leistung. Die Teillastnocken
reduzieren den Ventilhub, sollen den Verbrauch absenken und vor allem einen fülligen und runden Motorlauf im unteren und mittleren Drehzahlbereich ermöglichen.
Und das funktioniert sensationell gut! Vorbei ist die Zeit der (nur bei EURO 4-Modellen!) Drehmomentschwäche bei sehr niedrigen Drehzahlen. Der Boxer agiert jetzt in diesem Punkt auf dem Niveau der bullenstarken Honda ST1300 Pan-European. Das Umschalten der Nocken ist - wenn der Fahrer nicht gerade bei ca. 3.500 U/min voll aufreißt - im Fahrbetrieb nicht spürbar.
Angenehmer Nebeneffekt: Mit der auf 136 PS (143 Nm/6.250 U/min) gestiegenen Leistung, rangiert die Maschine bezüglich des Leistungsgewichtes sogar knapp oberhalb der 160 PS starken
K1600GT. Und das merkt der Fahrer. Bei Bedarf "geht das Ding wie die Sau"! ;-)) Der Motor durcheilt das Drehzahlband, dass es mir kaum gelingt, mit dem Schalten hinterher zu
kommen.
Auch angenehm: Das boxer-typische Schütteln ist im gesamten Drehzahlband nahezu eleminiert. Vorbei die Zeiten, dass man zwischen 2.500 und 3.500 U/min im Spiegel nicht erkennen konnte, was da hinter einem folgt!
Auch gut: Der Motor ist bereits "EURO 5"-ready.
Das Getriebe schaltet neuerdings ohne Hakeln, Krachen oder Rucken. Lediglich ein "Klack" zeigt den Schaltvorgang akustisch an. Jetzt ist es wirklich dicht am "Japanerniveau" - HEUREKA!
Und wenn ich den Gerüchten trauen darf, stammt das Getriebe jetzt auch von einem japanischen Zulieferer.
Der aufpreispflichtige "Schaltassistent Pro" schaltet nun - passende Drehzahl voraus-gesetzt - so weich, dass die Sozia kaum noch Unterschied zwischen "Handschaltvorgang" und "Automat" erkennt - prima!
Auch die Kupplung ist jetzt gut dosierbar und tut einfach das, was man von ihr erwartet: leichtgängig, gut kontrollierbar, angemessener Schleifbereich - geht doch!
Bremsanlage:
Bei den vorderen Bremssätteln verschwand der Schriftzug "Brembo". Jetzt steht "BMW" drauf und auch das Design hat sich geändert. Nach meinen Informationen hat BMW einen Wechsel von Brembo
zu einem US-amerikanischen Hersteller durchge-führt (Hayes?). Ob auch bei anderen Bremskompo-nenten ein Zuliefererwechsel erfolgte, ist mir nicht bekannt. Prompt gab es Ärgernisse mit
Undichtig-keiten im Bereich der Bremssättel, die BMW durch Bremssatteltausch beseitigte. Meine Maschine war jedoch nicht betroffen.
In der Auslegung der Bremsanlage hat sich aber scheinbar nichts geändert. Die Bremsen funktionieren unverändert ausgezeichnet gut.
Auch die aufpreispflichtige "Berganfahrhilfe" (Hill-Start-Control) erfuhr eine erfreuliche Weiterentwicklung. Sie verdient jetzt den Namen "Hilfe", ist völlig unspektakulär zur Stelle und benötigt zum Lösen keine erhöhte Drehzahl mehr. Sehr schön!
Eher als Gimmick erscheint mir das "Dynamische Bremslicht", dass, je nach geforderter Bremsleistung, in Intervallen blinkt.
Fahrwerk:
Grundsätzlich blieb das aufpreispflichtige, dafür aber in allen Fahrsituationen überzeugende, "Dynamic ESA"-Fahrwerk scheinbar unangetastet.
Es sorgt für wirklich tadelsfreies Fahrverhalten und verhindert weitestgehend auch das Eintauchen der Vordergabel beim Bremsen.
Jedoch wurde die Steuerung des ESA verändert. Nun gibt es für die Dämpfung an Stelle der früheren 3 Modi "Soft/Normal/Hard" nur noch die Modi "ROAD/DYNA". Die von uns geschätzte Einstellung "Soft" wird durch das neue "ROAD" nicht wirklich passend ersetzt - schade!
Die 3 Federvorspannungs-Modi heißen jetzt "MIN/AUTO/MAX". Wobei für den Normal-fahrer "AUTO" wirklich gut passt und das Motorrad unabhängig vom Beladungszustand auf stets gleichbleibendem Niveau hält. Diese Änderung ist wohl eine Anpassung der ESA-Steuerung an die der K1600GT. Das funktioniert auch im 2-Personen-Betrieb und mit Gepäck.
Sonstige Ausstattung:
Für mich neu (lieferbar seit Modelljahr 2018) ist ein "Intelligenter Notruf", eine Entsprechung des für Autos vorgeschriebenen "eCall"-Systems.
Diese Extra-Ausstattung ist mit 310 € über-raschend preisangemessen und erzeugt keine Folgekosten wie Jahresgebühren o. ä. Der Notruf kann manuell oder - nach Unfall - automatisch ausgelöst werden. Dabei wird jeweils der eigene Standort übertragen.
Meiner Meinung nach eine sehr sinnvolle Sache für Fahrer, die nicht scheuen, dass die Zentrale ihre Position ermittelt, sobald ein Notruf abgesetzt wird.
Im Kreis der BMW-RT-Fahrer gibt es teilweise Skepsis, ob die Flächenabdeckung des Systems so ist, dass auch überall der Notruf abgesetzt werden kann. Bei meinen bisherigen Fahrten in ganz Deutschland sowie dem jeweils angrenzenden Ausland, zeigte das Gerät bisher keine Verbindungslücken an.
Erhalten blieb auch das für meinen Geschmack schicke Dashboard, dessen Aufteilung nur gering-fügig geändert wurde. Es ist prima ablesbar (auto-matische Helligkeitsanpassung), in der Neigung verstellbar und gibt die unzähligen Einstell-möglichkeiten des Fahrwerks, der Fahrmodi und des Bordcomputers erstaunlich übersichtlich wieder.
Auch unverändert: die Kratzempfindlichkeit der Abdeckscheibe.
Der Blinker verfügt über eine modifizierte auto-matische Rückstellung - und die funktioniert gut!
Leider unverändert blieb:
9. Ventildeckelschutz
Konstruktiv ein Missgriff:
Kippt die Fuhre um, ist schnell ein Riß/ Loch in den weit überstehenden Ventil-deckeln entstanden.
Abhilfe durch "Ventildeckelschutzhauben". Kostenpunkt: 184 €
Die Kosten:
Anschaffungskosten (2018) in der von mir gewählten Version:
Der Kraftstoffverbrauch liegt - auch nach der Einfahrphase - bei ca. 5 l/100 km. Mit dem 25-ltr-Tank sind also ca. 500 km möglich. Das ist ok!
Ebenso ok sind Wartungsintervalle von 10.000 km oder 1x jährlich. Tiefes Durchatmen erzeugen jedoch generell die Werkstattlöhne (in meinem Fall, Anfang 2019: 152 €/Std) und bisweilen auch die Ersatzteilpreise.
Störungen/Auffälligkeiten/Serviceereignisse:
Weitere Änderungen konnte ich
im Vergleich zur Vorgängermaschine bisher nicht entdecken.
Insofern gelten die Feststellungen zur R1200RT LC auch für die neue R1250RT.
Bisheriges Fazit:
Ich mag meine "Mrs. Wilma" - so ist ihr Name.
Und ich freue mich,
Euch an dieser Stelle fortlaufend über sie zu berichten!
PS:
Wer unter uns bereits eine BMW-RT fährt oder mit Ihr liebäugelt, sollte sich ruhig einmal bei den RT-Freunden umschauen. Was das von uns geschätzte Pan-Forum leistet, ist dort für die RT zu finden.
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