30.06. - 15.07.2011
Text: Achim
Bilder: Reinhard, René, Heinrich, Ernst, Horst, Martin, Achim
Reisebericht? Hm... gar nicht so einfach nach einer 15-tägigen Tour über gut 5.800 km durch Deutschland - Österreich - Ungarn - kleiner Zipfel Slowenien - Rumänien - Ungarn - Österreich - Tschechische Republik - Deutschland... Ich versuche es mal!
Die Route findet Ihr zum Download hier.
Als erstes habe ich für diesen Bericht meine ca. 500 Tourbildchen durchgeschaut, um die Reise Revue passieren zu lassen und stelle fest: Die Bilder werden nicht annähernd dem gerecht, was ich, was wir, tatsächlich gesehen und erlebt haben.
Wir, das sind (auf dem Bild v.l.nr.) Reinhard, ich, René (der einen aus- gezeichneten Tourguide abgab), Heinrich, Ernst (Initiator der Reise, gebürtig in Rumänien und in dortiger Sprache und Landeskunde perfekt) sowie Horst und Martin. Also sieben Teilnehmer, die sich bis dahin gar nicht oder nur flüchtig kannten. Allein das ist schon ein echtes Abenteuer für solch eine Reise.
Reinhard ist Österreicher und die übrigen Kollegen sind in Deutschlands Süden behei-matet. Ich hatte also 1.000 km Solofahrt als Anreise zum Treffpunkt in Reit im Winkl vor der Brust. Spannend wurde es schon 80 km nach dem Start. Strömender Regen, Wind- schild unten. Irgendein Federvieh hat mich am Helm getroffen. Ein heftiger Einschlag, der mir wohl auch einen winzigen Augenblick die Sinne nahm. Nachdem ich wieder klar sehen konnte...!!! Blut läuft mir über´s Gesicht. Dauerte einige Sekunden bis ich begriff: Das Blut läuft außen über den nassen Helm und stammt nicht von mir. Habe mich dann - weil mir nicht wirklich gut war - abweichend von meiner geplanten Route auf die Auto- bahn durchgeschlagen und bin am Abend in Amberg ins Bundeswehrkrankenhaus einge-rückt. Diagnosen: Verdacht auf HWS, Hörsturz, leichte Hirnerschütterung... Spritzen, Pillen und über Nacht am Tropf.
Dank der Medikation und der guten Tipps meiner ärztlichen Kameraden, erreichte ich den Treffunkt in Reit im Winkl am 02.07.2011 zum vorgesehenen Zeitpunkt und traf dort nicht nur auf die Tourteilnehmer sondern auch auf Kumpel Heimo S., der es sich nicht nehmen ließ, uns durch Österreich zu begleiten.
Am nächsten Tag im Südosten Österreichs (danach auch in SLO, HU, RO) die erste besondere Reiseerkenntnis: Obwohl im Schleswig-Holstein´ischen Storchendorf Bergenhusen (Nähe Rendsburg) diesmal nur 15 statt 18 Storchenpaare erschienen, sterben diese nicht aus. Wirklich nicht! Gefühlte 2.000 Brutpaare haben wir gesehen. Die Viecher sind wohl - völlig zu recht - einfach zu faul, soweit nach Norden zu fliegen, dass wir Ihnen mit unseren Web-Cams in die Kinder- stube leuchten können.
Apropos Österreich: Als wir in Krieglach ins Wellnesshotel Stocker einrückten, erwartete uns eine sehr sympathische Überraschung. Da wir uns über das "Honda Pan-European- Forum" zu unserer Reise verabredet hatten, nahmen viele Kollegen von unseren Reise-vorbereitungen Notiz. Und der - inzwischen leider aufgelöste - "Club Pan-European Austria" hatte, da alle persönlich an diesem Tag verhindert waren, ein paar Freibiere beim Wirt hinterlegt. Klasse! Prost! Und herzlichen Dank!
Bei der Einreise nach HU fiel auf:
Dann Rumänien:
Was für Gegensätze! Städte, die vor Geschäftigkeit und Boom zu platzen scheinen und auf dem Land dominieren Pferdefuhrwerke, der Trecker ein Gefährt von Seltenheits- wert. Schlagartig praktisch keine Motorradfahrer mehr anzutreffen. Menschen bleiben stehen und winken uns zu, Kinder kommen beim Kreuzungshalt heran und wollen mal am Gasgriff drehen und der Zugführer hupt uns fröhlich von den Gleisen aus zu... völlig unmöglich, dies unterwegs in Bilder zu fassen.
Besser hätte dies schon an den Bahnübergängen geklappt: LKW, die vor dem Übergang zum Stillstand abbremsen, sich vorsichtig über die Gleise tasten... geschätzte 20 - manch- mal wohl auch 30 cm Höhenversatz keine Seltenheit... aben- teuerlich!
Wie eigentlich das gesamte Straßennetz, dass wir berei- sten. Exzellente Streckenabschnitte wechseln abrupt zu Pisten, die wirken, als hätte die Luftwaffe mit Streubom- ben Landebahnen zerstört. Manchmal fehlen Gullideckel. In Hunedoara (dt. Eisenmarkt) gleich vier nacheinander auf wenigen 100 Metern Strecke. Lösung: vollstopfen mit LKW-Reifen, damit man nicht allzu tief rein fällt oder, auf freier Strecke eine probate Lösung, kleine Bäume reinstellen. Besondere Zuwendung erhält der Fahrer, wenn jemand eine Plastiktüte zur besseren Erkennbarkeit ans Bäumchen gebunden hat... kannst´e alles nicht fotografieren, weil die Hände am Lenker nötig sind und dauernd anhalten?... dann kommt der Reisende überhaupt nicht mehr vorwärts.
Was ich ganz besonders bedauere: Keiner aus der Reise-gruppe hat es geschafft, beim Durchrollen der "Zigeuner-viertel" (ich fürchte, das ist nicht politisch korrekt formu-liert), die dortigen bunten und mit glänzenden Zinnplatten eingedeckten Häuser zu fotografieren. Irgendwie trauten wir uns nicht, zum Fotohalt zu stoppen.
Einmal gerieten wir in eine Bestattungsprozession - sehr ähnlich der "Jazz-Swing-Beerdigungsprozession" mit dem "New Second Line"-Marsch aus dem James Bond Film "Leben und sterben lassen" - und mussten anhalten... war richtig beklemmend... der Fotoapparat blieb in den Taschen.
Alle von uns angesteuerten Hotels und Pensionen hatten übrigens vieles gemeinsam: nettes Personal, intakt wirkende Gebäudesubstanz (meist schön gelegen) und abgewohntes, liderlich installiertes Innenleben.
Die Karpaten:
Ich hatte sie mir (geprägt durch Dracula-Filme) völlig anders vorgestellt. Viel düsterer, schroffer, abweisender. Die Realität war für mich ganz anders. Ein "freundlich" wirkendes, wunderschönes und abwechslungsreiches Gebir- ge, dass es aber auch schafft, Passübergänge zu produzie- ren, als seist Du "auf dem Dach der Welt". Genial!
Aber auch hier gilt (wie in den Städten): Die Fotos geben nur einen winzigen Eindruck wieder. Bevor man für sieben Moppeds den passenden Halteplatz gefunden hat, sind hunderte von Eindrücken am Reisenden vorbeigezogen.
Selbst die vielen schönen Kirchen, Klöster, Burgen und Schlösser haben wir nur unvollständig auf die Speicher-karten gebrannt... ältere Biker sind sommertags nur unwil- lig zu Besichtigungsmärschen zu überreden... davon kann unser engagierter Reiseleiter Ernst ein Liedchen singen!
An dieser Stelle Dir noch einmal ein Extra-Lob für Deine unermüdliche Bemühung um unsere kulturelle Bewusst-seinserweiterung, die Dir obendrein auch manche kleine Frotzelei eingebracht hat! ;-))
Überhaupt: Der Ernst hat sich erfolgreich bemüht, uns außer städtischem Leben, beeindruckender Landschaft und Kultur, auch den deutschen Stamm Siebenbürgens näher zu bringen und uns menschlichen Kontakt zu verschaffen. Dazu gehörten als Highlights die Führung durch eine alte Dame in einem ehemaligen Klostergemäuer, der Besuch bei einem seiner Verwandten und ganz besonders der Besuch bei seinem Freund Vio.
Um mit diesem Reisebericht den Rahmen unserer Homepage nicht völlig zu sprengen, komme ich zu meinem ganz persönlichen Fazit:
Eine fantastische, geile, wunderschöne Reise in einer netten Truppe, die obendrein auch fahrerisch klasse harmoniert hatte (nur der René musste immer auf uns warten und wurde deshalb zum Guido verurteilt... hat er riesig und engagiert erledigt!!). Und falls ich wieder mal den ehemaligen Ostblock bereise... nur auf einer Miet-Enduro!!!!!!!!
Lieber Ernst, mangels eines passenderen bzw. treffenderen Vokabulars sage ich Dir hier noch einmal herzlichsten Dank für diese tolle Tour und Andrea sei Dank, dass sie so lange für uns auf Dich verzichtet hat!
Ach ja: Zu guter Letzt hat uns der Ernst für unser tapferes Auftreten in den Karpaten auch noch zu "Siebenbürger Ehrenbürgern" erklärt, was uns nicht nur berechtigt sondern auch verpflichtet, stets wacker dem Schnaps und dem "Ursus"-Bier zuzusprechen. Das machen wir doch nach diesem Training jederzeit und gern!
Herzlichst
Achim
Nachtrag 1:
Ganz häufig habe ich während dieser Reise "WOW" gesagt, bei der ich mich von den Kollegen in Györ an der ungarisch-österreichischen Grenze verabschiedete. Einem Tipp von Reinhard folgend, habe ich Wien in einem Ostbogen umfahren und bin dann dem Mistelbachtal "frei Schnauze" grobe Richtung Prag gefolgt. Das lief auf kleinen Straßen und nahezu ohne Verkehr fantastisch flott. Gegen 14:30 Uhr erkannte ich am Horizont die Ausläufer von Prag - noch früh am Tag. Also den Popo gefragt: "Schaffst Du das?" Antwort: "Yepp". Naviknopf: Bring-me-home und los ging es, ab jetzt auf großen Straßen 1.370 km Tagesgesamtstrecke... etwas für Bekloppte ... und da hat nachts um 03:00 Uhr mein Hintern vor der Haustür "WOW" gesagt... Gibt nicht viele Motorräder neben der Pan (Fahrbericht), mit denen man soetwas machen kann!
Nachtrag 2:
Ich bin ja - wie wir alle - heil zu Hause angekommen. Aber nicht vollständig... 6 kg hat meinen Körper diese Tour gekostet... :-)))))